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ratzenbuch

Die Tiefe II


Ich stehe wieder hier oben und der kalte Wind streicht mir auch diesmal durch die Haare. Ich sehe auch heute die Lichter der Stadt. Lichtpunkte funkeln am nächtlichen Himmel. Es ist eine klare Herbstnacht. Es ist bald Helloween. Leise dringt der Straßenlärm zu mir hinauf.

Ich greife wie immer in meine Manteltasche und hole meinen Tabak hervor. Ein wenig Tabak in ein Blättchen einrollend sehe ich über die beleuchteten Häuser. Mit der Zunge feuchte ich den Klebestreifen an und rolle die Zigarette zusammen. Das Feuerzeug zündend sehe ich versonnen in die Flamme, die die Zigarette in Brant setzt. Ich denke an das brennende Rom, das Nero in Flammen setzte. Es ist wie das innerliche Brennen, das immer noch in mir lodert und mich nicht zur Ruhe kommen lässt. Immer noch der Hunger auf Seelenkraft. Werde ich irgendwann auch Blut mögen? Im Grunde ja, aber es bringt mir nicht so viel. Ich sehne mich noch immer danach eine geliebte Seele zu durchdringen. Einfach hindurch zu gehen, wie durch einen warmen Nebel aus Gefühlen. Es tut gut, wenn einige Gefühle an mir hängen bleiben.

Kräftig ziehe ich an meiner Zigarette und sehe in die endlose Tiefe. Ich stehe mal wieder hier oben und sehe frierend in die Nacht hinaus. Der Himmel scheint so nah und doch sind die Sterne viele, viele Lichtjahre entfernt. Ich halte den inneren Schmerz kaum noch aus. Die aufgerauchte Kippe schnippse ich in die Tiefe. Eine warme Glut in der Kälte der Nacht.

Tränen laufen mir warm über die Wange, hinterlassen aber eisige Spuren in meinem Gesicht. Es fühlt sich an, als wolle sich Eis in meinem Gesicht bilden. Dafür ist es aber nicht kalt genug. Nun ist es wieder so weit. Ich ziehe meinen Ledermantel aus und lasse in hinter mich fallen.

Ich mache einen Schritt nach vorn in die Leere. Ich falle. Falle wieder in die Tiefe. Der Wind schneidet mir in´s Gesicht und mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Wieder kommen mir Gedanken. Gedanken an früher. Immer weiter in die Vergangenheit. Es tut weh an die Vergangenheit zu denken. Warum denke ich dann immer wieder an früher?

Ich falle immer schneller zu Boden und immer schneller denke ich, aber ich möchte ja gar nichts mehr denken. Immer schneller kommt der Boden auf mich zu, der gerade aus der Dunkelheit auftauchte. Wie in Zeitlupe kommt der Boden auf mich zu. Wie eine große undurchdringliche Wand baut sich der Boden vor mir auf. Das Brennen in meinem Körper spüre ich diesmal so stark wie nie zuvor. Noch wenige Meter trennen mich vom harten Aufschlag.

Ich breite meine schwingen aus und sie zerren ganz kräftig an meinen Schulterblättern. Schlagartig wird mein Fall gebremst und nun segle ich dicht über den Astphalt. Ein paar kräftige Flügelschläge bringen mich in den Aufwind. Es ist immer noch kalt, aber die Freiheit durch die Nacht zu fliegen mildert das Kältegefühl. Immer höher tragen mich meine Schwingen in den Himmel. Die Lichter unter mir verschmelzen zu einem Leuchtenden Muster. Wie Weihnachtslichterketten funkelt die Stadt unter mir und über mir leucten die Sterne des Herbsthimmels.

Immer weiter tragen mich meine Flügel. Über Bäume, Felder, Vorstadthäuser und Staßen. Über einem Wäldchen hat sich Nebel gebildet  und ich muß an Höhe gewinnen, um nicht die Orientierung zu verlieren. Durch den Nebel kann ich einen Teich sehen. Spiegelblank liegt die Wasseroberfläche unter mir.

Ich drehe eine Schleife und fliege die gesamte Strecke zurück. Es ist die Sucht, die mich zurück treibt. Viel länger als 90 Minuten halte ich es kaum aus.

Es ist ein schönes Gefühl der Freiheit sich ind die Lüfte erheben zu können wie ein Vogel oder eine Fledermaus.

Am Ausgangspunkt angekommen, lasse ich mich neben meinem Mantel nieder und streife ihn mir wieder über. Ein Griff in die Tasche und mein Tabak kommt wieder zum Vorschein. Ich drehe mir nervös eine Zigarette und zünde sie an. Heftig nehme ich ein paar kräftige Züge. Der Rauch verteilt sich vor meinem Gesicht. Das sind die Momente, in denen es schön ist ein Vampyr zu sein. Hinunter werde ich den herkömmlichen Weg nehmen, denn unten an der Straße steht mein Wagen.

Am Auto angekommen, schließe ich die Tür auf und setze mich hinter das Lenkrad. Ich schiebe die CD von Deine Lakaien das Album Kosmodiah in den Player. Der Motor heult auf und mit quietschenden Reifen fahre ich an, um dann ganz gesittet durch die Stadt zu fahren. Und nun freue ich mich auf die Gründung eines Clans. Möge die Nacht (und die Zeit) mit mir sein!


Ja, Vampyre können fliegen! Es wird alles wieder von vorn beginnen. Für eine Stunde habe ich Frieden gefunden. Und ich werde wiederkehren.

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